Erklärung zur Situation in der Partei

DIE LINKE.queer

Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz DIE LINKE.queer vom 03.11.2018

Die Kämpfe für eine Aufhebung des Abtreibungsverbots, gegen die Kriminalisierung von Homosexualität und Ehebruch, für die Gleichstellung von Frauen und für eine umfassende Sexualaufklärung waren und sind seit weit mehr als 100 Jahren elementare Bestandteile linker Politik.

Dass die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen einerseits Voraussetzung und andererseits Resultat einer Bewegung für die gesellschaftliche Befreiung des Menschen ist, gehört seit langem zu den wichtigen Erkenntnissen der Arbeiter*innenbewegung.

DIE LINKE kann stolz darauf sein, in dieser Tradition zu stehen. So, wie sie stolz darauf sein kann, in der Tradition all derjenigen zu stehen, die gegen Kriegskredite und Aufrüstung, gegen den Faschismus, für Arbeitszeitverkürzungen und für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gekämpft haben und kämpfen, um nur einige Bespiele zu nennen.

Wir wollen eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung aller wird, heißt es in unserem Parteiprogramm.

Diese programmatische Kernaussage und unsere historischen und aktuellen Erfahrungen in politischen Kämpfen dürfen nicht zur Disposition gestellt werden. Daher betrachten wir mit großer Sorge, wenn durch Stimmen in unserer Partei der Kampf um gleiche Rechte für alle Menschen zwar als wichtig, aber mit einem „aber“ versehen wird, weil es „wichtigeres“ gäbe, nämlich eine stärkere Fokussierung auf die soziale Frage und die Konstituierung der Klassen.

Diese Schwerpunktsetzung erkennen wir an, wenn damit andere politische Ansätze, die in unserer Partei verankert sind, nicht abgewertet werden. Denn es gibt nicht auf der einen Seite die Schwulen, Lesben, Trans* und Inter*, und auf der anderen Seite die Teil- und Vollzeitarbeiter*innen, Leiharbeiter*innen, Alleinerziehenden und Rentner*innen.

Klassenzugehörigkeit steht nicht im Widerspruch zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität. Fakt ist doch: Trans* bekommen steigende Mietpreise und Wohnungsnot erst recht zu spüren, homosexuelle Beschäftigte bei kirchlichen Institutionen müssen ständig mit ihrer Kündigung rechnen, queere Menschen verdienen durchschnittlich deutlich weniger als heterosexuelle, nur 30% der queeren Beschäftigten stehen am Arbeitsplatz zu ihrer sexuellen Orientierung. Nicht zu vergessen sind die zahllosen Suizide und Suizidversuchen von Lesben, Schwulen, Trans* und besonders Inter*, die die bestehenden Diskriminierungserfahrungen nicht anders verarbeiten konnten.

Unterdrückung und Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung potenziert die ohnehin vorhandene Unterdrückung im Kapitalismus. Aufgabe unserer Partei ist es, die Interessen derjenigen zusammenzuführen, die unter den gesellschaftlichen Verhältnissen leiden. Das „verächtlichte Lebenwesen“ war schon immer mehr als nur Zugehöriger der subalternen Klasse.

Deshalb ist auch entschiedener Widerspruch gegen all diejenigen notwendig, die auch aus unserer Partei heraus die soziale Frage gegen Menschenrechte auszuspielen versuchen - denn für diese Menschenrechte stritten linke Bewegungen weltweit gegen einen erbitterten Widerstand an - und bis jetzt sind diese auch in Deutschland insbesondere bei Trans* und Inter* nicht gewährt. Widerspruch ist auch notwendig, wenn der „Identitätspolitik“-Begriff aus Teilen unserer Partei irreführend und z.T. diskreditierend genutzt wird.

DIE LINKE.queer hat den Kampf für Menschenrechte immer im Zusammenhang der Kämpfe um eine solidarische Gesellschaft und für einen demokratischen Sozialismus gesehen.

DIE LINKE darf und wird Freiheit nicht gegen Gleichheit setzen. Dafür treten wir ein.