Brandgefährlich: „Immunitätsdokumentation“ muss verhindert werden

DIE LINKE.queer

In einem „Formulierungsvorschlag“ des Bundesgesundheitsministeriums für einen Gesetzentwurf, den CDU/CSU und SPD zeitnah in den Deutschen Bundestag einbringen sollen, ist die Einführung einer sogenannten „Immunitätsdokumentation“ aufgeführt. Zu diesem Vorhaben erklären die Bundessprecher*innen von DIE LINKE.queer, Daniel Bache, Katharina Jahn und Frank Laubenburg:

Die derzeitige Corona-Pandemie darf weder zu einer grundlegenden Aufweichung des Datenschutzes noch zu einer verstärkten Diskriminierung von Menschen mit chronischen Erkrankungen führen. Die Erfahrungen aus dem Umgang mit Aids, mit den damit verbundenen zahlreichen Datenschutzverstößen, der Ausgrenzung der Hauptbetroffenengruppen und der bis heute andauernden Speicherung der Daten HIV-positiver Menschen in polizeilichen Datenbanken, lehren uns, kritisch zu hinterfragen, welche staatlichen Maßnahmen angemessen, notwendig und sinnvoll sind und welche nicht.

Die geplante Einführung einer allgemeinen „Immunitätsdokumentation“ im Infektionsschutzgesetz ist nicht nur völlig unverhältnismäßig und unwissenschaftlich, sie verschärft vielmehr die Möglichkeiten der Diskriminierung und Ausgrenzung. Sie ist brandgefährlich, gerade für ohnehin marginalisierte gesellschaftliche Gruppen, und im vorliegenden „Formulierungsvorschlag“ weder auf einzelne übertragbare Erkrankungen begrenzt noch zeitlich befristet. Vielmehr wird die aktuelle Pandemie zu einem massiven Angriff auf den Schutz gesundheitsbezogener persönlicher Daten genutzt.

Dies gilt umso mehr, als das – so gesteht es auch der „Formulierungsvorschlag“ ein – eine Immunität gegen das Corona-Virus derzeit weder wissenschaftlich erwiesen ist, noch zuverlässig nachgewiesen werden kann.
Im Bereich der Prävention können die Pläne der Bundesregierung und von CDU/CSU und FDP verheerende Folgen haben. Das gilt insbesondere, wenn das Vorlegen einer „Immunitätsdokumentation“ zur Bedingung für eine Tätigkeitserlaubnis oder für Sonderrechte gemacht wird, wie im Corona-Zusammenhang zu erwarten ist. Es führt Menschen in wirtschaftlicher Not damit in die verzweifelte Situation, sich bewusst zu infizieren, um mit einer erhofften an die Erkrankung anschließenden Immunität ihrem Beruf wieder nachgehen zu können.

Allein die mit den Plänen verbundene Weitergabe gesundheitsbezoger Daten z. B. an Arbeitgeber ist ein Einfallstor dafür, dass entsprechende Gesundheitsdaten demnächst auch in weiteren Bereichen, so auch bei sexuell übertragbaren Krankheiten, weitergegeben werden und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiter eingeschränkt wird.

Die Bundesrepublik Deutschland hat es in weit über 30 Jahren nicht vermocht, Menschen mit HIV und Aids vor Diskriminierung, Datenmissbrauch und Ausgrenzung zu schützen. Nicht nur mit der medizinisch vollkommen unsinnigen Speicherung der Daten HIV-Infizierter in polizeilichen Datenbanken wirkt sie vielmehr aktiv an Diskriminierung mit. Einen Blankoscheck für Immunitätsnachweise darf es daher nicht geben.