Stillstand wäre besser gewesen: Diese Koalition lässt die queeren Communities am langen Arm verhungern

Die Linke queer

Zur Bekanntmachung des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung erklären Daniel Bache, Frank Laubenburg, Luca Renner und Maja Tegeler, Bundessprecher*innen von Die Linke queer:

Zeitgleich zur Bekanntmachung des Koalitionsvertrags wird eine faschistische Partei erstmals stärkste Kraft in einer Umfrage zur Bundestagswahl. Dringender denn je bräuchte es eine konzertierte Aktion, um einen wirksamen politischen Gegenentwurf zum Faschismus zu verwirklichen – für soziale Gerechtigkeit, eine funktionierende öffentliche Infrastruktur und eine Stärkung der Bürger*innenrechte. 

Die SPD zeigt im Bündnis mit der Union einmal mehr, was ihr ihre Wahlversprechen wert sind. Steuerliche Schonung von Reichen, Schikane gegen Menschen ohne Erwerbsarbeit und Sozialabbau sind wesentliche Züge des neuen Regierungsprogramms. Dass die Union Schlüsselressorts besetzen konnte, lässt nichts Gutes erahnen – auch und gerade mit Blick auf die Queerpolitik. Die mögliche Familienministerin Silvia Breher z.B. ist zwar Mitglied im Vorstand des Oldenburger Pferdezuchtverbands, ansonsten aber vor allem durch transfeindliche Zwischentöne hinsichtlich des Selbstbestimmungsgesetzes aufgefallen. Dass sich CDU-Mann Johann Wadepfuhl als Außenminister z.B. gegenüber der Trump-Administration für die Rechte von queeren Menschen, insbesondere die der trans Community einsetzen wird – kaum vorstellbar. 

In dem Vertragswerk selbst gibt sich die kommende Regierung ausgesprochen schmallippig, was die Belange von LSBTIQ* angeht. Das mag in Teilen daran liegen, dass es in beiden Parteien an queerpolitisch kompetentem Personal fehlt, spiegelt aber vor allem die Prioritätensetzung der Merz-Regierung wider. Da fallen Queers bei all dem Abschiebewahn halt hinten runter. Die angekündigte „Evaluation“ des Selbstbestimmungsgesetzes unter dem Vorwand vermeintlichen Frauen- und Kinderschutzes signalisiert, wo die Reise hingehen soll: Die Union wird versuchen das Gesetz teilweise rückabzuwickeln. Ähnlich verhält es sich beim Prostituiertenschutzgesetz: „Evaluation“ ist hier ein Formelkompromiss, der für die Union die Chance zur Verschlechterung der entsprechenden Gesetzeslage darstellt, obwohl es in beiden Fällen dringend sozialer Verbesserungen bedarf. Auf die SPD ist weder im Fallen des SBGG, noch des ProstSchG Verlass. Dass laut Koalitionsvertrag nur noch diejenigen Projekte über das Programm „Demokratie leben“ gefördert werden sollen, die die Union für „verfassungstreu“ hält, ist ein Anschlag auf die demokratische Zivilgesellschaft in Zeiten des Rechtsrucks – und damit auch auf viele queere Projekte.

Die Ampel hat einen queerpolitischen Aufbruch versprochen, aber nicht geliefert. Schwarz-Rot macht nicht einmal mehr wohlklingende Versprechen. Selbst Anliegen wie die Ergänzung des Diskriminierungsschutzes in Artikel 3 Grundgesetz, die auch in bürgerlichen Kreisen anschlussfähig wären, haben es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. Es bleibt in vielen Fragen die Ungewissheit, sei es hinsichtlich des nationalen Aktionsplans „Queer leben“, des Abstammungsrechts oder des Schutzes queerer Infrastruktur. Die Linke queer wird sich mit aller Macht gegen eine Rückabwicklung des Selbstbestimmungsgesetzes oder die Einführung eines Sexkaufverbots stemmen – und weiter einen intersektionalen Politikansatz verfolgen, der rassistische Politiken bekämpft.